Riester-Rente in der Krise

Die Riester-Rente ist beliebt. Etwa 16,4 Millionen aktive Riester-Verträge gab es im letzten Jahr in Deutschland.1 Doch Niedrigzinsumfeld und Inflation gefährden die Attraktivität dieser Form der privaten Alters­vorsorge und bereiten vielen Versicherern zunehmend Probleme.

eine Frau ist frustriert oder erschöpft und hat den Kopf gesenkt

In einem Interview mit dem GDV-Versicherungsmagazin Mitte Februar mahnte der Hauptgeschäftsführer des Gesamtverbandes der deutschen Versicherungswirtschaft (GDV), Jörg Asmussen, notwendige Reformen bei der Riester-Rente an2 und erinnerte an die Vorschläge, die der Gesamtverband schon seit längerer Zeit hierfür unterbreite.3

Drei Stellschrauben nennt der GDV, an denen die Bundesregierung drehen müsse, um die Riester-Rente für Versicherer und Versicherte weiterhin attraktiv zu gestalten:

  • Förderfähigkeit
  • Beitragshöhe
  • Beitragsgarantie

Ohne gesetzliche Änderungen erwarte er einen spürbaren Rückgang beim Angebot, so Asmussen.2

Das Dilemma der Riester-Rente

Wie funktioniert die Riester-Rente

Die Riester-Rente ist eine staatlich geförderte Altersvorsorge, bei der Sparende für die Erbringung eines jährlichen Eigenbeitrags Förderungen und Zulagen vom Staat erhalten.

  • 175 Euro bekommt jede:r Sparende pro Jahr als sogenannte Grundzulage.
  • 185 Euro zusätzlich pro Jahr bekommt, wer ein kindergeldberechtigtes Kind hat, das vor 2008 geboren wurde (pro Kind).
  • 300 Euro zusätzlich pro Jahr bekommt, wer ein nach 2008 geborenes Kind hat (pro Kind).
  • 200 Euro gibt es zudem einmalig, wer einen Riester-Vertrag vor seinem 25. Lebensjahr abschließt.

Wer also zwei nach 2008 geborene Kinder hat, erhält vom Staat jährlich Zulagen in Höhe von 775 Euro (175 Euro Grundzulage, 300 Euro je Kind Kinderzulage). Alles, was die sparende Person dafür tun muss, ist jährlich 4 Prozent des eigenen Bruttojahresgehalts in die Riester-Rente einzuzahlen, jedoch nicht mehr als 2.100 Euro. Die Zulagen werden dabei vom Eigenbeitrag abgezogen. Statt 2.100 Euro müssen in diesem Beispiel also maximal 1.325 Euro pro Jahr eingezahlt werden. Wer ein sehr niedriges Einkommen hat, muss sogar nur 5 Euro im Monat einzahlen, um die volle Förderung zu erhalten.

Durch dieses Prinzip sollen alle die Chance erhalten, mit einer geförderten Alters­vorsorge privat für den Ruhestand vorzusorgen, besonders auch Personen mit geringem Einkommen. Im Gegenzug zur staatlichen Förderung ist die Rente jedoch an ein paar Bedingungen geknüpft, welche die Riester-Rente zunehmend unattraktiv machen – für Sparende und Versicherer.

Problem 1: Förderfähigkeit

Nicht jede:r kann von der Riester-Rente profitieren. Berechtigt, Zulagen zu erhalten, ist grob gesagt nur, wer auch Beiträge zur gesetzlichen Renten­versicherung leistet, sowie Beamte. Ebenso förderfähig sind Sonderfälle wie Auszubildende, Studierende, Beschäftigte in Mini- oder Midijobs, Beziehende von Arbeitslosengeld oder Krankengeld oder Erziehende. Ausgeschlossen sind damit zum Beispiel die meisten Selbstständigen, obwohl gerade diese Gruppe häufiger von Altersarmut betroffen ist als Angestellte. Doch auch hier gibt es Ausnahmen.

Genau hier setzt die Kritik des GDV an: Es sei viel zu kompliziert, wer förderfähig ist und wer nicht, und führe dazu, dass viele, die es wären, von der Möglichkeit zu riestern gar keinen Gebrauch machten.3 Stattdessen sollte die Förderfähigkeit auf alle Steuerpflichtigen erweitert werden.

Problem 2: Beitragshöhe

Die Voraussetzung zum Erhalt des vollen Förderbeitrags ist ein gehaltsabhängiger Eigenbeitrag in Höhe von mindestens 4 Prozent des letztjährigen Bruttojahreseinkommens. Maximal gestattet sind jedoch nur 2.100 Euro, selbst wenn das weniger als 4 Prozent des letztjährigen Bruttojahreseinkommens entspricht. Zwar ist es möglich, mehr einzuzahlen, es ist jedoch nicht mehr förder- bzw. steuerabzugsfähig. Für viele reicht die Riester-Rente damit allein nicht aus, um angemessen fürs Alter vorzusorgen. Der GDV kritisiert insbesondere, dass diese Fördergrenze von 2.100 Euro starr bleibe und sich nicht wie beispielsweise die Beitragsbemessungsgrenze zur gesetzlichen Renten­versicherung an sich verändernde Einkommensverhältnisse anpasse. Die Gehälter steigen, die Inflation raubt dem Geld seine Kaufkraft, aber die Förderhöhe zur Riester-Rente bleibt dieselbe und das schon seit der Einführung 2001. Der GDV fordert deshalb eine Dynamisierung der Beitragsobergrenze, beispielsweise in Form einer Kopplung an die Beitragsbemessungsgrenze.

Problem 3: Beitragsgarantie

Gut gemeint …

Der entscheidenste Kritikpunkt an der Riester-Rente und der maßgebliche Grund, weshalb die Riester-Rente zunehmend vom Markt verschwindet, ist die Beitragsgarantie. Versicherer, die eine Riester-Rente anbieten, müssen den Sparenden garantieren, dass bei Rentenbeginn mindestens die Summe der eingezahlten Beiträge zuzüglich aller erhaltenen Zulagen als Rentenguthaben vorhanden sind. Das klingt zunächst selbstverständlich, schließlich möchte niemand weniger ausgezahlt bekommen, als er eingezahlt hat, und zusehen, wie irgendjemand mit seiner Alters­vorsorge „zockt“. Und auch der Staat will mit dieser Maßgabe vermeiden, dass die aus Steuergeldern gezahlten Zulagen bei allzu risikoreichen Investments verlorengehen.

… aber nicht gut gemacht

Im Niedrigzinsumfeld raubt diese Regelung Versicherern jedoch zunehmend die Möglichkeit, das erhaltene Vorsorgevermögen gewinnbringend und inflationssicher anzulegen. Seit 2022 beträgt der zulässige Höchstrechnungszins nur noch 0,25 Prozent und zwingt Versicherer zur Erreichung zugesagter Zinsversprechen einen immer größeren Teil am Kapitalmarkt anzulegen. Weil Versicherer aber gleichzeitig die Summe aller Beiträge zzgl. Zulagen als Mindestrente garantieren müssen – sie müssen diese Summen also vorhalten –, raubt ihnen das die nötige „Beinfreiheit“ bei der Anlage und beim Erzielen einer für die Kunden bestmöglichen Rendite. Die Folge: Schon in den vergangenen Jahren konnten kaum Renditen von mehr als der durchschnittlichen Inflation von ca. 2 Prozent pro Jahr erzielt werden. Mit dem in diesem Jahr von 0,9 % auf 0,25 % abgesunkenen Höchstrechnungszins einerseits und einer Inflation von über 7 % im März 2022 andererseits scheint es unmöglich, einen Kaufkraftverlust stabilitätsorientierter Rentenprodukte wie der Riester-Rente zu vermeiden. Heißt: Wer heute eine Riester-Rente abschließt, wird – in Kaufkraft gemessen – weniger herausbekommen, als er einbezahlt hat.

GDV mahnt Flexibilisierung der Beitragsgarantie an

Weil viele Versicherer im Spagat zwischen Niedrigzins einerseits und der Verpflichtung zur Beitragsgarantie andererseits an ihre Grenzen stoßen, verschwinden derzeit immer mehr Riester-Renten vom Markt. Im Interview mit dem GDV-Versicherungsmagazin mahnt GDV-Geschäftsführer Asmussen die Bundesregierung deshalb an, die Beitragsgarantieregelung zu flexibilisieren.2 Gemeint ist damit, die Entscheidung, wie viel Prozent der eingezahlten Beiträge durch den Versicherer garantiert werden sollen, den Sparenden zu überlassen, so wie es bei anderen Formen der privaten Alters­vorsorge wie Rürup-Rente und Privater Renten­versicherung bereits der Fall ist. Sparende können dann selbst entscheiden, ob sie zugunsten höherer Renditeerwartungen auf Garantien verzichten oder ob sie möglichst sicherheitsorientiert anlegen möchten mit einer garantierten Rentenhöhe, aber geringeren Renditeerwartungen.

Und bis es so weit ist: Lohnt sich die Riester-Rente noch?

Wer schon einen Riester-Vertrag besitzt:

Angesichts des herausfordernden Umfelds, mit dem die Riester-Rente konfrontiert ist, scheint diese Frage berechtigt. Stellen müssen sie sich allerdings zunächst nur Personen, die noch keine Riester-Rente abgeschlossen haben. Denn diejenigen, die bereits eine besitzen, sind nicht von der Absenkung des Höchstrechnungszinses auf 0,25 Prozent betroffen. Für sie gilt der Zins, der ihnen bei Abschluss zugesagt wurde. Bedrohlich für sie ist höchstens die Inflation. Bleibt sie länger auf dem derzeitigen Niveau, werden die versprochenen Zinsen den Kaufkraftverlust nicht ausgleichen können.

Ruhe bewahren
„Wer schon länger eine Riester-Rente bespart, sollte wegen der derzeitigen Inflation nicht in Panik verfallen, sondern die Alters­vorsorge erst einmal weiter besparen. Erst wenn die Inflation länger auf hohem Niveau verharrt, sollte man sich nach Alternativen umsehen. Keinesfalls sollte man dann seine Riester-Rente kündigen, sondern nur beitragsfrei stellen. Wer sich unsicher ist, wendet sich am besten an einen Versicherungsexperten.“
Versicherungsexperte Andreas
Andreas
CLARK Versicherungsexperte

Wer noch keine Alters­vorsorge abgeschlossen hat:

Wer hingegen noch keine Riester-Rente abgeschlossen hat, aber nach einer Möglichkeit sucht, privat fürs Alter vorzusorgen, der sollte auch die Alternativen in Betracht ziehen: Wie bei der Riester-Rente können auch Beiträge zur Rürup-Rente von der Steuer abgesetzt werden – und das sogar in erheblich höherem Umfang. 2022 können 94 Prozent von bis zu 25.639 Euro Beitrag pro Jahr (!) in der Steuererklärung berücksichtigt werden. Im Gegensatz zur Riester-Rente sind Sparende dabei völlig frei in ihrer Anlage und können ihren gesamten Beitrag in Aktien oder Fonds anlegen, ganz so wie bei einem ETF-Sparplan. Eine Beitragsgarantie gibt es pauschal nicht, kann aber bei Abschluss vereinbart werden.

Ähnlich verhält es sich mit einer Privaten Renten­versicherung, die Sparenden sogar noch mehr Flexibilität bietet. Im Gegensatz zur Rürup-Rente wird die Einzahlung steuerlich nicht begünstigt, dafür fallen aber auf die Auszahlung wenig Steuern an, die darüber hinaus nicht nur als lebenslange Rentenzahlung, sondern auch als einmalige und frei vererbbare Kapitalauszahlung erfolgen kann.

Die Riester-Rente kann sich dennoch lohnen
„Als Faustregel, ob sich eine Riester-Rente lohnt oder nicht, macht es Sinn, die zu erwartenden Zulagen in Relation zum Eigenbeitrag zu stellen. Wer beispielsweise wegen drei nach 2008 geborener Kinder schon 1.075 Euro Zulagen bekommt, muss selbst maximal 1.025 Euro Beitrag zahlen. Dadurch wird der Gesamtbeitrag zur Alters­vorsorge im Verhältnis zum Eigenbeitrag mehr als verdoppelt. Das bekommt man sonst nirgends. Ob das allein als Absicherung fürs Alter reicht, ist etwas anderes. In der Regel sagt man, dass man mindestens 10 Prozent des Bruttogehalts in die Alters­vorsorge investieren sollte. Im Detail bespricht man das am besten mit einem unabhängigen Experten.“
Versicherungsexperte Andreas
Andreas
CLARK Versicherungsexperte

Quellen:

1 Karsten Röbisch: Riester-Reform bleibt offenbar liegen. gdv.de, 2. März 2021; abgerufen am 4. März 2022.

2 Vgl. Altersvorsorge: Interview GDV-Hauptgeschäftsführer: „Die Riester-Rente ist reformfährig“. gdv.de, 23. Februar 2022; abgerufen am 4. März 2022.

3 Jörg von Fürstenwerth: Die Fortentwicklung von Riester ist überfällig. gdv.de, 4. April 2018; abgerufen am 4. März 2022.