Kommt deine Bank ihrer Informationspflicht nicht ausreichend nach, kannst du ohne Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung den Kredit widerrufen.
Wenn ein Verbraucher etwas kauft oder eine Dienstleistung in Anspruch nimmt, dann geht er nach rechtlicher Auffassung einen Vertrag ein, einen Verbrauchervertrag. Der Kreditvertrag ist ein solcher Verbrauchervertrag. In Deutschland bzw. der EU gilt dazu, dass kein Vertrag nach seinem Inkrafttreten für immer in Stein gemeißelt ist, denn es kann immer wieder vorkommen, dass ein Verbraucher erst nach Inkrafttreten eines Vertrags feststellt, dass ihm die Konditionen nicht zusagen. Es könnte z. B. passieren, dass du bei einer Baufinanzierung erst nach dem Abschluss bei nochmaligem Durchlesen des Darlehensvertrages feststellst, dass die dort erwähnten Regularien für eine Vorfälligkeitsentschädigung untragbar sind.
Für solche Fälle hat der Gesetzgeber das Widerrufsrecht geschaffen. In einem bestimmten Zeitraum kann der Verbraucher ohne nachteilige Folgen von dem geschlossenen Vertrag zurücktreten. Aber, und das ist hier zentral, der Geschäftspartner muss den Verbraucher dazu zwingend über seine Rechte für einen Widerruf informieren. Das ist die Widerrufsbelehrung.
Dabei reicht es nicht, dich als Verbraucher einfach mündlich darüber zu informieren, dass du widerrufen könntest. Du hast bei einem Kreditvertrag und daran angeschlossenen Widerrufsbelehrungen einen rechtlich verbrieften Anspruch auf präzise Informationen zum Widerruf. Dafür gelten diese Regeln:
Der Darlehensvertrag muss enthalten: Art des Darlehens, Nettobetrag, Soll- und Effektivzins, Höhe, Anzahl und Fälligkeit der Abschlagszahlungen, Zinsbindungsfrist, alle Kosten und Zusatzleistungen.
Grundsätzlich muss die Widerrufsbelehrung freistehen und als solche erkennbar sein. Sie darf also nicht in gleicher Schriftart in den anderen Textteilen "versteckt" sein. Stattdessen sollte idealerweise in einem gesonderten Dokument alles stehen, was du zum Widerruf wissen musst.
Der Verbraucher muss die Widerrufsbelehrung aktiv und in physischer Form empfangen. Mündliche Informationen, wie widerrufen werden kann, genügen ebenso wenig wie der Hinweis auf eine Widerrufsbelehrung auf der Webseite des Vertragspartners.* Lediglich im E-Commerce kann es hier Ausnahmen geben, ansonsten sind nur Briefe, E-Mails und Faxe sind gültig – und sie sind vom Vertragspartner proaktiv zu liefern, nicht erst auf Nachfrage.
Die Widerrufsbelehrung muss a) die korrekte Firmenbezeichnung, b) eine ladungsfähige vollständige Anschrift des Kreditgebers und c) die zuständige Aufsichtsbehörde enthalten. Ein Mangel dieser Angaben macht die Widerrufsbelehrung fehlerhaft.
Aus der Widerrufsbelehrung muss hervorgehen, wann die Widerrufsfrist beginnt und wie lang sie andauert.
Du musst ohne Umschweife darüber informiert werden, dass du dein Widerrufsrecht ohne Angaben von Gründen wahrnehmen darfst. Ferner muss auch erklärt werden, in welcher Textform das geschehen kann - abermals Brief, E-Mail und Fax.
Die Widerrufsbelehrung muss dir erklären, wohin eine Ware zurückzusenden bzw. wie ein Darlehen zurückzuzahlen ist und welche Kosten für den Verbraucher dabei entstehen – zusammengefasst sind das die Widerrufsfolgen.
Und ganz wichtig: Zu jeder Widerrufsbelehrung muss zwingend an angehängtes Widerrufsformular geliefert werden. Das soll dir als Verbraucher ermöglichen, dein Widerrufsrecht ohne Umstände wahrnehmen zu können. Fehlt dieses Formular, ist die Widerrufsbelehrung fehlerhaft.
Prinzipiell beträgt die Frist 14 Tage – das Recht auf Widerruf für Finanzdienstleistungen ist etwas anders aufgebaut als das für Warenkäufe oder andere Dienstleistungen. Jedoch gelten diese 14 Tage nicht pauschal. Der Zeitraum beginnt erst, wenn du den Darlehensvertrag unterzeichnet hast. Er muss mindestens 14 Tage betragen, kann von dem Kreditinstitut aber auch freiwillig verlängert werden. Dabei handelt es sich immer um Kalendertage, also alle Tage. Wenn der letzte Tag der Frist kein Werktag (alle Tage außer Sonn- und Feiertage) ist, dann gilt der nächste Werktag. Aber, und das ist das für dich entscheidende Detail: Der Zeitraum beginnt erst dann, wenn du nach dem Gesetz vollständige und umfassende Widerrufs- und Vertragsinformationen erhalten hast. Wenn die Bank dabei einen Fehler begeht, kann ein Widerruf auch noch viel später erfolgen.
Kreditinstitute greifen für die Widerrufsbelehrung und den Darlehensvertrag häufig auf Muster zurück – standardisierte Texte, die alles enthalten. Allerdings sind auch diese Muster nicht perfekt. Vor allem bei der Personalisierung auf die jeweilige Bank können sich immer wieder Fehler einschleichen. Eine fehlerhafte Widerrufsbelehrung ermöglicht es stets, den Vertrag über ein Darlehen ohne Frist zu widerrufen.
Es gibt vieles, das zu Fehlern in der Widerrufsbelehrung oder dem Darlehensvertrag führen und dir den Widerruf damit einfach machen kann. Die folgenden, häufig vorkommenden Beispiele können dir deshalb nur einen kleinen Einblick geben.
Sehr oft wird die Aufsichtsbehörde nicht oder nur unvollständig angegeben.
Häufig mangelt es beim Vertragsteil an Angaben zum Kredit.
Die Belehrung über den Beginn deiner Frist für den Widerruf des Kreditvertrags ist unklar.
Es wird versucht, dir über den Kreditvertrag irgendwelche Versicherungen zu verkaufen, beliebt sind beispielsweise Restschuldversicherungen.
Es wird keine vollständige ladungsfähige Anschrift gegeben, beispielsweise nur „Genossenschaftsbank Musterhausen“ ohne Hausnummer, Straße usw.
Es fehlen verpflichtende Informationen über die Möglichkeiten der Kündigung etwa eines Kredits.
Darlehensnehmer und Darlehensgeber bzw. Kreditgeber und Kreditnehmer werden verwechselt. Das kommt aufgrund der Häufigkeit der Begriffe oft vor.
Und: Häufig haben es Banken in der Vergangenheit versäumt, ihre Muster und Unterlagen zeitnah an aktuelle Gerichtsurteile bzw. die daraus hervorgehenden Stichtage anzupassen. Dadurch verloren die Muster ihre Gültigkeit und führten zu fehlerhaften Widerrufsbelehrungen.
Wenn du erst kürzlich einen Darlehensvertrag unterzeichnet hast oder es erst in nächster Zukunft tun willst, stellt sich die Sache einfach dar. Für schon seit längerem bestehende Darlehen sieht es jedoch mitunter ganz anders aus.
Vor dem 1. September 2002 kannten Verträge für Kredite keine Widerrufsbelehrung im rechtlichen Sinn. Daher gibt es hier auch keine fehlerhafte Widerrufsbelehrung.
Zwischen dem 1. September 2002 und dem 10. Juni 2010 abgeschlossene Kreditverträge konnten bis zum 21. Juni 2016 widerrufen werden.
Zwischen dem 11. Juni 2010 und dem 20. März 2016 abgeschlossene Kreditverträge haben ein unendlich langes Recht auf Widerruf – der Grund dafür ist ein Urteil des EuGH vom 26. März 2020. Dazu musst du wissen, dass der Europäische Gerichtshof (EuGH) und der Bundesgerichtshof (BGH) im Bezug auf Kreditverträge stark unterschiedliche Auffassungen vertreten.
Seit dem 21. März 2016 abgeschlossene Kreditverträge haben ein Widerrufsrecht, das genau 1 Jahr und 14 Tage nach Vertragsabschluss endet – egal ob erst danach herauskommt, dass es eine fehlerhafte Widerrufsbelehrung gibt.
Zwar sorgte das EuGH-Urteil vielfach für Jubel, es war mitunter als „Widerrufsjoker“ bezeichnet. Faktisch ist das Widerrufsrecht jedoch sehr begrenzt. Hauptsächlich deshalb, weil es nur greift, wenn in den Unterlagen wortwörtlich steht: „Die [Widerrufs-]Frist beginnt nach Abschluss des Vertrags, aber erst, nachdem der Darlehensnehmer alle Pflichtangaben nach § 492 Abs. 2 BGB erhalten hat.“
Nur, wenn du eine zweifelsfrei fehlerhafte Widerrufsbelehrung hast und/oder in deinem Kreditvertrag die Pflichtangaben nicht vollständig und korrekt sind, hast du überhaupt eine Chance auf eine Rückabwicklung. Fehler in der Widerrufsbelehrung solltest du dir am besten von einem Experten belegen lassen. Doch selbst wenn dir der Experte schwarz auf weiß aufzeigt, wo in deinen Unterlagen die Fehler liegen, solltest du damit nicht einfach zur Bank gehen und sie auf ihr falsches Vorgehen hinweisen. Auch bei privaten Darlehensnehmern ist das eine Aufgabe, die ein Rechtsgelehrter übernehmen sollte. Das heißt, du gehst mit deinen Unterlagen sowie den Hinweisen des Experten zu einem Anwalt für Vertrags- und Bankenrecht. Er soll die Angelegenheit erneut prüfen und dann mit dir beraten, wie es weiter vorgeht.
Wie erwähnt, gibt es eine deutliche Uneinigkeit zwischen EuGH und BGH. Banken mit fehlerhaften Verträgen zwischen Juni 2010 und März 2016 sind daher die lachenden Dritten. Sie könnten erklären, dass es keine eindeutige Rechtslage gibt, und somit auch deinen Widerruf vor einen Richter ziehen. Generell sollte dir Folgendes bewusst sein:
Keine Bank wird ohne Kampf einen Vertrag fallen lassen. Erst recht nicht einen so teuren Vertrag wie eine Baufinanzierung. Schnell wird es also nie gehen, egal wann dein Kreditvertrag abgeschlossen wurde.
Stell dich bei Verträgen aus dem Zeitraum zwischen 2010 und 2016 darauf ein, dass die Sache vor Gericht landen wird. Dem BGH nachgeordnete Landgerichte tendieren erfahrungsgemäß dazu, eher dem BGH als dem EuGH zu folgen. Der BGH sah die vom EuGH angemahnten Fehler nicht so eindeutig. Das bedeutet, dass der erwähnte Widerrufsjoker noch jahrelang zwischen den Gerichten ausgefochten werden könnte.
Gerichtsprozesse sind lang und sie sind teuer – wenn du verlierst, bleibst du mitunter auf den Kosten für Anwalt und Gericht sitzen.
Solltest du gewinnen oder auch ohne Gericht den Vertrag widerrufen, wirst du bei dieser Bank vielleicht zur Persona non grata. Eventuell musst du dann mit deinem Girokonto umziehen.
Und das sind nicht einmal die größten Probleme. Bei einer erfolgreichen Rückabwicklung wird auch ohne Vorfälligkeitsentschädigung binnen 30 Tagen auf einen Schlag die gesamte Restschuld fällig. Nur wenn du so viel Geld hast oder anderweitig bekommen kannst, solltest du dieses Wagnis eingehen.
Natürlich fallen die genannten Schritte nur dann an, wenn dein Vertrag schon länger läuft. Aber einmal angenommen, du schließt morgen eine Baufinanzierung ab und drei Tage darauf kündigt dir dein Arbeitgeber – also alles im Rahmen der 14-tägigen Frist. Was dann?
Zunächst füllst du die Widerrufsunterlagen aus und reichst sie fristgemäß ein.
Wenn bereits ein Teil des Geldes ausbezahlt wurde, zahlst du es zurück.
Sind noch keine Gelder geflossen, passiert schlicht gar nichts. Der Vertrag erlischt, die Rückabwicklung endet.
Eine eigene Immobilie zu erwerben, ist ein großer Schritt und meist eine Entscheidung fürs Leben. Umso wichtiger ist es im Vorfeld, sich gründlich Gedanken über die Finanzierung zu machen. Was kannst du dir heute leisten und was geschieht, wenn sich morgen deine Lebensumstände ändern? Welche Fördermöglichkeiten ergeben sich für dich und welche machen Sinn?
Du wirst im Internet eine ganze Reihe an Vergleichsrechnern finden, die dir möglicherweise einen Anhaltspunkt geben können. Doch am Ende ist eine Baufinanzierung eine höchst individuelle Angelegenheit, die passgenau auf dich und deine Lebenssituation zugeschnitten sein muss.
Die Experten von CLARK beraten dich zu deiner Vermögenssituation und helfen dir dabei, dir den Traum von den eigenen vier Wänden zu erfüllen.
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